THE BOYS, HARD LUCK STREET

London (UK) – New Cross Inn (04.02.2012)

London Calling – Nicht „The Clash“ sondern „Hard Luck Street“ und die „Boys“ spielen

Ich leg den „Clash“-Song mal so aus – die BOYS und HARD LUCK STREET kündigen ein Konzert in London an und ich komme. Seit über zwei Jahren ist der Frontmann der Glam-Götter „Trashcan Darlings“ mit seiner neuen Band HARD LUCK STREET aktiv und hat neben einer Single gerade eine absolut geniale 10″ veröffentlicht. Die wollte er im Rahmen zweier Konzerte auch in der englischen Hauptstadt London promoten. Für mich war die Information im vergangenen November Grund genug, nach einem billigen Flug zu suchen und mir den Termin dick im Kalender anzustreichen.

Am frühen Morgen des 04.02.2012 war es dann soweit, bei läppischen -16°C, ging es in Richtung London und dank S-Bahn, Flugzeug und Easy-Bus standen wir, mein Sohn mit Freundin und ich, schon um 12.00 Uhr an der Victoria Station mitten in London. Natürlich kann man so eine Stippvisite auch dazu nutzen sich die touristischen Highlights der Weltstadt anzusehen. Also Hardcore-Sightseeing war angesagt. Begonnen haben wir mit dem Buckingham Palace, ohne Teetrinken bei der Queen. Weiter ging es über den St. James Park, mit sehr zutraulichen verspielten grauen Eichhörnchen, in Richtung Big Ben und dem House of Parliament. Entlang der Themse, vorbei an Hütchenspielern und zig Schaustellern kamen wir schließlich zur Tower Bridge. Dann war die Zeit ran und wir mussten die erste Herausforderung, die öffentlichen Londoner Verkehrsmittel, bestehen. Bei den Angestellten der U- oder S-Bahn kann man wirklich von geballter Inkompetenz sprechen. Entweder man erhielt keine oder eine falsche Auskunft. Trotzdem, die Herausforderung haben wir gemeistert und so kamen wir um pünktlich um 18.00 Uhr im Youth Hostel an. Zimmer bezogen und dann bewegten wir uns sofort in den direkt unter dem Hotel liegenden New Cross Inn – Club.

Eine tolle Begrüßung durch Strange? Gentle, Sänger von HARD LUCK STREET folgte, und bei ein paar Bier oder wahlweise Wein wurden alte Geschichten ausgekramt und über Neuigkeiten aus der norwegischen Hauptstadt Oslo gesprochen. HARD LUCK STREET hatten schon ihren ersten London-Gig am Vortag absolviert. Ein kleiner Achtungserfolg, allerdings mit relativ wenig Besuchern. Aber das sollte sich am heutigen Abend ändern, da meine alten UK-Punkhelden THE BOYS als Headliner aufspielten. Neben einigen alten Bekannten aus Norwegen haben es sogar noch einige Deutsche geschafft nach London zu kommen. Aber ehrlich gesagt, die waren wegen der BOYS da. Die Zeit vor dem Konzert verflog so schnell, dass man nicht einmal dazu kam mit allen Bekannten ausgiebig zu sprechen. Eine neue Bekanntschaft, die mir sehr am Herzen liegt, habe ich auch noch gemacht. Ronny Pøbel, seines Zeichens Sänger und Frontmann der gleichnamigen norwegischen Band. Ein Typ der noch die Urgewalt des Punkrock in sich trägt. Er explodiert förmlich wenn er mit dir über Musik, Punkrock spricht und die Begeisterung steckt an. Für mich ist es ein lohnendes Ziel, die Band RONNY PÖBEL für ein Konzert nach Berlin zu holen, auch auf die Gefahr hin, dass er die hiesigen Clubs in Schutt und Asche legt. Vorab schon mal der Hinweis, holt euch eines der bisher erschienenen drei Alben von RONNY PÖBEL.

Den Konzertabend in London eröffneten PAPERJETS, mit einem Punkrock-Gig a la „Green Day“, gefolgt von den Ramones ähnlichen GRISWORLD.

Dann kamen HARD LUCK STREET mit ihrem stark melodisch, rockigen Punk. Ohne dass man die Songs kannte, sie gingen sofort ins Ohr und man kommt nicht umhin, das Tanzbein zu schwingen. Strange? Gentle spielte die Songs seiner gerade erst erschienenen 10″, die in einigen Zügen, stark an die ruhigen „Trashcan Darlings“-Songs erinnert. Fazit des Konzerts, die fünf Osloer konnten von der ersten bis zur letzten Sekunde begeistern und der mitgereiste norwegische Fanblock tat noch sein Übriges zur überschwenglichen Stimmung. Dann kamen die alten Herren der BOYS, die ich live leider noch nie erleben durfte. Lediglich die „Yobs“ und die „Last Rock’n’Roll Band“, mit Casino und Honest John Plain, habe ich in der Osloer Elm-Street, die vor wenigen Tagen einem Bürokomplex zum Opfer fiel, gesehen. Und nun die Helden meiner Jugend, die BOYS mit vier Originalmitgliedern in ihrer Heimatstadt – mehr Punkattitude geht nicht. Es war ein grandioses Konzert, mit allem was man sich an Hits wünscht. „Brickfield Nights“, „I Don’t Care“, „Sick On You“ usw. Auch das geniale „First Time“ wurde gespielt und verleitete einen Old-Punk zum Pogen. Toller Abend, tolle Bands und gut gelaunt verließen wir den Club, in ein verschneites London.

Am Sonntagmorgen war erst einmal Reste trinken angesagt und ein mehr als schreckliches Frühstück. Erneut mühten wir uns im Chaos des öffentlichen Verkehrsnetzes, waren aber dann doch recht schnell am Tate Modern, Ziel des heutigen Vormittags. Hier war ich im künstlerischen Schlaraffenland, Gemälde von Miro, Pablo Picasso, Andy Warhol und Roy Lichtenstein waren dabei die Highlights. Abgerundet wurde das alles durch eine Wahnsinnsinstallation des chinesischen Künstlers Ai Weiwei – 1.000.000 Sunflower Seeds.

Die verbleibende Zeit bis zum Rückflug, der auf Grund des Wetters ohnehin nicht sicher war, verbrachten wir in diversen Plattenläden in Notting Hill. Und hier findet man sie, die kleinen schwarzen Schätze auf Vinyl, wie „Generation X“, „Clash“, „Damned“ und natürlich die „Boys“.

Trotz des Kältechaos verspätete sich unser Flieger am Abend nur um etwa eine Stunde und gegen 22:00 Uhr kamen wir wieder im viel zu kalten Deutschland an.

Arnim Bohla